Unsere Erfahrung mit der Arbeit aus dem Home-Office  während der jüngsten Gesundheitskrise war nur der Anfang. Mit dem Aufkommen der virtuellen Realität und der Robotisierung stehen wir am Vorabend der nächsten Revolution. Das Arbeiten aus der Ferne von überall auf der Welt wird in naher Zukunft die neue Normalität sein.  
Stellen Sie sich vor: Ihr Hauptsitz befindet sich in Amsterdam, aber Ihre Mitarbeiter leben in Frankreich, Deutschland, Indien oder China, und sie melden sich  am Arbeitsplatz immer mit Hilfe der virtuellen Realität an. 
Dieses Zukunftsszenarium ist weniger futuristisch als es scheint.  Derzeit scheint  es schwierig, einen echten Teamgeist zu schaffen, wenn alle  Arbeitnehmer an verschiedenen Standorten arbeiten. Selbst Videokonferenzen sind nicht mit Brainstorming-Sitzungen oder Präsentationen vergleichbar,  bei denen das Team physisch im selben Raum bei einer Tasse Kaffee sitzt. 
Das alles wird sich mit dem Aufkommen der virtuellen Realität ändern, zumindest erwarten wir das. Mit der Weiterentwicklung der Technik, wird es möglich sein, durch ein virtuelles Büro zu gehen, gemeinsam an Besprechungen teilzunehmen, mit Kollegen am Tisch zu sitzen und sogar den neuesten Büroklatsch an der virtuellen Kaffeemaschine durchzugehen.
Es ist eine der unzähligen technologischen Entwicklungen, die nicht nur unsere Arbeit im Sturm erobern wird, sondern auch die HR-Politik  der Unternehmen. Auch die Folgen für die Einstellung und Auswahl neuer Mitarbeiter werden erheblich sein.

In der jüngsten Gesundheitskrise sind zahlreiche Unternehmen dazu übergegangen, ihren gesamten Rekrutierungs- und Onboardingprozess zu digitalisieren.

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Welche Folgen werden die neuesten technologischen Entwicklungen für die Personalberatungsbranche  haben? 

Als Personalvermittler werden wir mehr über den Tellerrand hinausschauen müssen. Wenn einer unserer Kunden jetzt auf der Suche nach einem geeigneten Kandidaten ist, bieten wir die besten Talente  an, die in einer akzeptablen Entfernung vom Arbeitsort verfügbar sind. Es entsteht nun eine Situation, in der die besten Kandidaten nicht mehr nur in der Schweiz arbeiten; sie könnten auch aus Japan, Südafrika, Indien oder einem anderen Land arbeiten.
Unternehmen entwickeln sich bereits in diese Richtung, zum Beispiel durch die Integration so genannter Shared Services Center, die von einem Standort aus Dienstleistungen für mehrere Büros in Europa oder in der ganzen Welt erbringen. Ein Verwaltungsangestellter oder ein IT-Mitarbeiter würde dann nicht mehr von ein und demselben Büro aus arbeiten, sondern sich beispielsweise von einem Standort in Barcelona oder Deutschland aus einschalten. Der Hauptunterschied besteht darin, dass in Zukunft niemand mehr physisch vom gleichen Standort aus arbeiten würde. Das würde zu einer völlig neuen Dynamik führen, deren genaue Folgen wir noch nicht absehen können.   

Was sind die Vorteile für die Arbeitgeber?        

Der Hauptvorteil sind Kosteneinsparungen. Wenn alle von einer virtuellen Umgebung aus arbeiten, benötigen Unternehmen nur noch einen Bruchteil der Bürofläche, die sie jetzt benötigen. Darüber hinaus könnte dies auch eine Lösung für die zunehmende Überalterung sein; wenn es nicht mehr darauf ankommt, wo jemand arbeitet, könnte der Bedarf an guten Mitarbeitern viel einfacher gelöst werden.
Der grösste Vorteil für Unternehmen besteht jedoch darin, dass ihnen eine grössere Gruppe talentierter Kandidaten zur Verfügung stehen wird. Zum Beispiel ist die Zahl der IT-Spezialisten in Indien viel grösser als in der Schweiz. In einer virtuellen Arbeitsumgebung wäre es viel einfacher, den bestgeeigneten Bewerber einzustellen. 

Vor welchen Herausforderungen stehen Unternehmen in Zukunft bei der Rekrutierung geeigneter Kandidaten?

Die grösste Herausforderung besteht darin, dass das Spielfeld so gross werden wird, dass die Unternehmen den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sehen. Wenn Sie also damit beginnen, geeignete Kandidaten auf der ganzen Welt zu rekrutieren, wo würden Sie anfangen?  
In diesem Sinne sieht es ein wenig wie die Internet-Revolution in den neunziger Jahren aus. Bei Michael Page war Rekrutierung & Auswahl dazumal noch eine sehr übersichtliche Aufgabe. Wir hatten einen Karteikasten mit guten Kandidaten, und wenn man etwas weiter suchen wollte, schaltete man eine Anzeige in einer der nationalen Zeitungen. Man wusste genau, welche Zielgruppe man mit welcher Zeitung erreichen konnte. Als dann das Internet kam, war dieses Modell in Gefahr. Die Reichweite nahm zu, wurde aber auch weniger spezifisch. Manchmal erhalten wir Hunderte von Bewerbungen für eine Anzeige in einer der nationalen Stellenbörsen. Wie finden Sie den richtigen Kandidaten, wenn Sie so viele Bewerbungen erhalten? Diese Herausforderung wird in Zukunft nur noch grösser werden.

Ändert sich damit der Mehrwert einer Rekrutierungs- und Auswahlagentur wie Michael Page ?  

Ja, er  änderte sich bereits, als das Internet in den Einsatz kam. Im Vor-Internet-Zeitalter bestand unser Mehrwert darin, eine erweiterte Datenbank mit Kandidaten zu haben. In diesem Moment kann jeder über LinkedIn, Facebook oder andere soziale Medienkanäle mit Kandidaten in Kontakt treten. Unser Mehrwert besteht darin, dass wir über das Wissen und die Erfahrung verfügen, um aus dieser riesigen Gruppe drei oder vier Kandidaten auszuwählen, die den spezifischen Bedürfnissen eines Unternehmens entsprechen. Wir haben viele Kandidaten, die wir einsetzen, während ihrer gesamten Karriere begleitet. Daher wissen wir genau, was sie bieten können. Unsere Herausforderung besteht also nicht nur darin, den richtigen Kandidaten zu finden, sondern auch dafür zu sorgen, dass gute Kandidaten und unsere Kunden tatsächlich zusammenarbeiten. Um dies zu erreichen, investieren wir in eine langfristige Beziehung sowohl mit unseren Kunden als auch mit den Kandidaten. In Zukunft werden wir noch mehr in diese Beziehung investieren.

Welche Folgen hat die Robotisierung für die Personalberatungsbranche?

 Dank der Robotisierung wird es auf jeden Fall einfacher werden, die erste Auswahl  von Kandidaten auf der Grundlage harter Kriterien wie Ausbildung und Berufserfahrung durchzuführen. Durch die Verwendung der richtigen Software können grosse Mengen von Lebensläufen und Datenbanken leicht gelesen und interpretiert werden. Für die eigentliche Kandidatenauswahl benötigen Sie noch einen Berater, der tatsächlich mit den Kandidaten an einem Tisch sitzt und mit ihnen spricht. Bei der Auswahl der Kandidaten sind auch alle möglichen emotionalen und persönlichen Faktoren wichtig. Der menschliche Faktor wird daher in der Personalvermittlungsbranche immer wichtig bleiben.
   
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